Mattenkapitel der Franziskaner in Vierzehnheiligen
Einander begegnen und sich miteinander austauschen – das steht im Mittelpunkt eines Mattenkapitels. Einmal im Jahr zu Pfingsten trafen sich die Brüder der jungen Bruderschaft in Portiuncula vor den Toren Assisis, nachdem sie das Jahr über in kleinen Gruppen durch die Lande gezogen sind. Heute treffen sich die Brüder in der Woche nach Pfingsten in Vierzehnheiligen, nachdem sie das Jahr über ihren Tätigkeiten in den Konventen in ganz Deutschland nachgegangen sind. 50 Brüder und somit fast jeder vierte der Provinz nahm am Mattenkapitel teil. „‘Der Herr hat mir Brüder gegeben‘ – Leben in geistlicher Gemeinschaft“, so lautete das Motto in diesem Jahr. Ein wesentlicher Kerngehalt sind die gemeinsame Feier der Eucharistie und die morgendlichen und abendlichen Gebetszeiten.
Den Einstieg bildete ein Bericht von Provinzialminister Markus Fuhrmann zu Aktuellem aus der Provinz und ein Bericht vom Treffen der „Laienbrüder“ der Mitteleuropäischen Franziskanerprovinzen (COTAF) in Assisi.
Zwei inhaltliche Hauptakzente prägten die Tage: zum einen „Franziskanische Perspektiven“, die von Sr. Elisabeth Bäbler nahegebracht wurden sowie psychologische Perspektiven, die Dr. Georg Beirer vermittelte. Beiden Vorträgen ging ein biblischer Impuls voraus, den Br. Johannes Roth als Exeget ausgearbeitet hatte. Einmal ein ersttestamentlicher aus Levitikus 19,1-34, einmal ein zweittestamentlicher aus der Apostelgeschichte 2,42-47.
Sr. Elisabeth Bäbler untersuchte das Thema „Gemeinschaft in den Schriften des hl. Franziskus“. Zu beachten ist dabei, dass die Brüder in den Anfangsjahren noch nicht als sesshafte Gemeinschaften zusammenwohnten, sondern in Kleingruppen unterwegs waren. Itinerante Gemeinschaften brauchen andere Regeln wie monastische an einem festen Ort. Spannend ist daher, wie die „fraternitas“ ganz praktisch organisiert wurde und welche Bedeutung Faktoren wie der Gehorsam in Bezug auf eine höhere Eigenverantwortung spielten. Franziskus operiert mit einem mütterlich-geschwisterlichen Strukturprinzip. Der Begriff, der nach dem Wort „dominus“ für Herr (Gott) am häufigsten in seinen Schriften vorkommt ist „frater“ (Bruder). „Ihr alle seid Brüder“ betont die Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit der einzelnen Mitglieder. Ihre Beziehungen sollen von Vertrauen und Fürsorge geprägt sein, so dass eine gegenseitige Unterstützung erfolgt, die ein Leben in Armut erst ermöglicht.
Dr. Beirer orientierte sich am 7. Kapitel der Ordensregel des Regulierten Dritten Ordens „Vom schwesterlichen und brüderlichen Leben“. Anhand der dort vorkommenden Stichworte erläuterte er aus seiner Erfahrung aus psychotherapeutischer Praxis wesentliche Aspekte für Gemeinschaft. Wie lässt sich das Liebesgebot umsetzen und wie der Auftrag von Franziskus, dass einer dem anderen vertrauensvoll seine Not offenbare? Wie ist mit Verfehlungen umzugehen, wie mit gegenseitiger Korrektur und Ermahnung, ohne den anderen zu beschämen? Wie kann es gelingen, angesichts von Schuld und Verfehlungen in der Gemeinschaft nicht in Zorn und Verwirrung zu geraten?
Beeindruckend und berührend war der Bericht von Bruder Frank Hartmann von seinen Erfahrungen in Guatemala in einer Flüchtlingsherberge und den Schicksalen, die ihm dort Tag für Tag begegnen. Ebenso der französische Film „Die Sprache des Herzens“ von einem taubstummen Mädchen, das mit Hilfe und der unendlichen Geduld einer Ordensschwester lernt, Beziehungen aufzunehmen und sich in die Gemeinschaft zu integrieren.
Zum Mattenkapitel gehört auch ein kultureller Teil. In diesem Jahr ging es nach Coburg, wo die Brüder zwischen einer Besichtigung der Feste und einer Stadtbesichtigung wählen konnten.
Im Anschluss erwarteten uns in Lautertal einige Gemeindemitglieder der Filialgemeinde St. Bonifaz zu einer kleinen Stärkung. Nach einem gemeinsamen Abendlob ging es in den Landgasthof Sommer zum Abendessen.
Der letzte Vormittag diente der Frage, was das Gehörte und Erlebte für unsere Provinz und für unsere Gemeinschaften bedeutet.
Einander begegnen und sich miteinander austauschen – über das Erlebte und Erfahrene an den jeweiligen Lebens- und Arbeitsorten; über die Herausforderungen der jeweiligen Zeit in Kirche und Gesellschaft; über das Wirken des Geistes Gottes. Heute nicht anders wie damals in der jungen Bruderschaft. Ein Mattenkapitel als Raum der gegenseitigen Bestärkung, um inspiriert durch unsere franziskanischen Quellen wieder neu das Evangelium im Alltag in geistlicher Gemeinschaft zu leben.
Br. Stefan Federbusch